„Wir sind bereit für das Priestertum“ ,
war die klare Ansage der circa 150 bis 200 Frauen von “Ordain Women”, einer Grassroots Bewegung mormonischer Frauen, als sie am 05. Oktober 2013 an den Türen des Konferenzzentrums der Mormonenkirche in Salt Lake City respektvoll aber beherzt um Einlass baten. Man gewährte ihnen aber keinen Eintritt, denn hinein dürften bei dieser Versammlung nur Priestertumsträger oder solche, die es werden könnten, und das sind bei den Mormonen nur die Männer.
An jenem Wochenende feierte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, die umgangssprachlich Mormonenkirche genannt wird, ihre 184. Herbst-Generalkonferenz, welche über zwei Tage aus ihrem neuen Konferenzzentrum in Salt Lake City an die 15 Millionen Mormonen in 197 Länder und Territorien übertragen wird. In sechs je 2-stündigen Konferenzsessionen lassen sich die Heiligen von ihrer Kirchenführung belehren.
Zu den Sessionen sind alle interessierten Zuhörer und berufenen Teilnehmer eingeladen, bislang allerdings nur mit Ausnahme der allgemeinen Priestertumsversammlung, die in der 183-jährigen Geschichte der Mormonenkirche niemals den Frauen zugänglich gewesen ist. Die mussten draussen bleiben.
Eine patriarchalische Kirche
Die Mormonenkirche ist stark hierarchisch und patriarchalisch geführt. Das zeigte sich vor allem auch auf der Generalkonferenz. 34 der 39 Ansprachen wurden von Männern gegeben, obwohl, vorsichtig geschätzt, 57% der Zuhörer der Konferenz weiblich sind. Über die Versammlung der Frauen der Kirche bei der Generalkonferenz präsidiert ein Mann.
Das mormonische Priestertum erhalten Jungen schon im Alter von 12 Jahren mit fortlaufend wachsenden Aufgaben und so hat theoretisch jeder 18-jährige Mann in der Kirche bereits alle Vollmachten, eine Leitungsaufgabe in der Kirche zu übernehmen.
Die primäre Rolle der Frau hingegen liegt in der Sorge für Heim und Kinder und so bleibt den Frauen im mormonischen Glauben die Ordinierung zum Priestertum verwehrt. Sie durften lange Zeit keine Hauptansprachen in den Gemeindeversammlungen geben, auf der Generalkonferenz durften Sie keine Gebete sprechen, noch heute verwalten sie nicht ihre eigenen Budgets in der Frauenorganisation der Kirche und sie haben keinen Zugang zu Leitungsaufgaben auf Gemeinde-, Regions- und globaler Ebene.
Wäre Angela Merkel Mormonin, so dürfte sie zwar Regierungschefin der Bundesrepublik Deutschland bleiben. Sie dürfte aber nicht die Finanzen ihrer Ortsgemeinde verwalten oder das Abendmahl austeilen.
Kate Kelly, Gründerin von Ordain Women, sagt in ihrem Video auf der Website der Gruppe: “Schon während meiner Zeit als Vollzeitmissionarin ist mir zum ersten Mal klar geworden, dass die Kirche darunter leidet, wenn Frauen keine Möglichkeit haben, in Leitungspositionen zu dienen”, Männer und Frauen seien oft ungleich behandelt worden und würden auch weiterhin von Möglichkeiten der Leitung ausgeschlossen. Und dass, obwohl in manchen Gegenden in denen sie als Missionarin diente, fähige Männer rar gewesen seien.
Öffentlichkeit und Kirche reagieren
Die Beachtung von Presse und Öffentlichkeit ist respektabel, seitdem Ordain Women aus einem Symposium intellektueller Mitglieder der Kirche in Berkeley in Kalifornien und als Initiative katholischer und mormonischer Feministinnen im März 2013 mit eigener Website online gegangen ist. Ordain Women versteht es, durch medienwirksame Aktionen auf sich aufmerksam zu machen.
Und so gab es schon bald Zugeständnisse seitens der Kirchenführung. Auf der Frühjahrsgeneralkonferenz im April durfte zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche eine Frau ein öffentliches Gebet sprechen. Und Dank der angekündigten Aktion von Ordain Women konnte die Kirche schon zwei Wochen vor der Herbst-Generalkonferenz reagieren und durch Pressesprecherin Ruth Todd ankündigen, dass die Priestertumsversammlung zum ersten Mal auch per Satellit der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde, selbst wenn der Eintritt in das Konferenzzentrum selbst für Frauen weiter untersagt bliebe.
“Wir sind glücklich darüber, dass die Kirche ihre Offenheit für Veränderung zumindest dadurch zeigt, dass sie die Priestertumsversammlung für alle durch eine Liveübertragung zugänglich macht.“ sagt Kelly, die beruflich als Anwältin für internationales Menschenrecht in Washington DC arbeitet. „Für uns ist das ein wichtiger Schritt in eine Zukunft, wo mormonische Frauen Seite an Seite mit den Brüdern in allen Bereichen des Kirchenlebens und der Kirchenführung zusammenarbeiten können.“
Mittels der kircheneigenen Zeitung Deseret News reagierte die Kirche jedoch sachlich und verhalten positiv, aber die konservative Position unterstreichend. 90% der Frauen lehnten ein Priestertum für Frauen ab und 53% der Männer. Und Kathryn Skaggs, eine orthodoxe Bloggerin aus Kalifornien, wird zitiert mit den Worten “Ich glaube, ich spreche für eine große Mehrheit mormonischer Frauen, wenn ich meine Frustration zum Ausdruck bringe, dass diese kleine Fraktion in der Kirche, die ein Priestertum für Frauen fordert, die Medien benutzt, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und so tut, als würde sie für alle Frauen sprechen.“ Bei der Generalkonferenz gehe es nicht darum dass die Führer der Kirche hören, was die Mitglieder zu sagen haben, sondern darum dass die Mitglieder hören, was die Führer der Kirche zu sagen haben. „Meine eigene Erfahrung in der Kirche ist, dass die meisten von uns vollkommen zufrieden damit sind, wie der Herr beschlossen hat, sein Reich auf der Erde zu errichten”, sagt Skaggs weiter.
Ein steiniger Weg
Kate Kelly und den Frauen von Ordain Women wird vorgeworfen, das Fundament der Kirche zerstören zu wollen. Einen großen Anteil an diesem Fundament hat die tiefe Verwurzelung in dem, was die Mormonen für den Plan Gottes für die Familie halten. Diesen Plan schließt unter anderem auch eine konservative Sexualmoral mit ein, die körperliche Intimität nur innerhalb des Ehebündnisses zwischen Mann und Frau toleriert. Homosexualität wird zwar seit wenigen Jahren als angeborene Neigung anerkannt und nicht mehr als erwählter Lebensstil gesehen. Aber homosexuelles Verhalten wird nach wie vor als sündhaft gewertet.
Ungehorsam gegenüber dem „Gesetz der Keuschheit“, wie die Heiligen dies nennen, wird mit Gemeinschaftsentzug oder dem Kirchenausschluss geahndet.
Zwar kommt es am ehesten aufgrund von sexuellen Verfehlungen zu solchen Kirchenausschlüssen. Allerdings hat auch mitunter derjenige ein kirchliches Disziplinarverfahren zu fürchten, der unorthodoxes Gedankengut vertritt und publiziert. Auch dieses Durchsetzen von Denkverboten hat leider Tradition bei den Mormonen, seit die Kirchenführung im September 1993 die Zügel stärker anzog und sechs Feministinnen und unbequeme Intellektuelle exkommunizierte.
Daher haben die Vorwürfe der Gegner von Ordain Women Gewicht. Die Vermutung, dass den Leiterinnen der Gruppe ein ähnliches Schicksal drohen könnte, vor allem, da sie dieselben Argumente vertreten wie jene Kritiker der Kirche vor 20 Jahren, liegt nahe.
„Der Mormonismus ist mein Zuhause, die Menschen, die ich liebe und meine Weltsicht. Nur weil ich will, dass mein Zuhause sich mehr öffnet und einige Renovierungsarbeiten vornimmt, macht es das nicht weniger zu meinem Zuhause“, sagt Kate Kelly.
Sie und die Frauen von Ordain Women werden sich sicher weiterhin und mit immer neuen Aktionen für die Gleichberechtigung der Frauen in der Mormonenkirche einsetzen. „Ich respektiere und schätze die Kirche und mich selbst einfach zu sehr, um in dieser Sache zu schweigen“ sagt Kelly gegenüber der Deseret News entschlossen. Es sei im Sinne Gottes, dass die Lasten und die Vorzüge des Priestertums gleich verteilt würden. „Die Ordination von Frauen zum Priestertum bringt uns alle auf eine gleiche spirituelle Ebene und nichts weniger als das ist ausreichend.“
Dass ihr Anliegen eines Tages von Erfolg gekrönt sein könnte, ist so abwegig nicht. Aber ihr Weg dürfte ein steiniger werden. Schon einmal wurden die Grenzen des mormonischen Priestertums erweitert, als man es im Jahre 1978 mit allen Rechten und Pflichten den Schwarzen zugestand. Diese Veränderung kam damals nach langem Bitten von Mitgliedern und Protesten und sogar Boykotten seitens der Öffentlichkeit gegenüber kirchlichen Institutionen zu Stande.
Das war 15 Jahre nach dem Marsch auf Washington und 23 Jahre nachdem Rosa Parks sich weigerte, ihren Platz in einem Bus in Alabama für einen Weißen frei zu machen.
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Zusatzmaterial:
Links:
-Ordain Women, ordainwomen.org, 16.03.2013, Hi, I’m Kate
http://ordainwomen.org/project/my-name-is-kate/
-FOX News, fox13now.com, 21.03.2013, Feminists call for LDS Church to give woman the priesthood
http://fox13now.com/2013/03/21/feminists-call-for-lds-to-give-women-priesthood/
-The Guardian, theguardian.com, 05.10.2013, Mormon women seek access to church’s traditionally men-only gathering
http://www.theguardian.com/world/2013/oct/05/mormon-women-conference-utah-access
-Deseret News, deseretnews.com, 26.09.2013, LDS Church responds to priesthood meeting request by activists
-A Well-Behaved Mormon Woman Blog, Kathryn Skaggs, 22.03.2013, Mormon Feminists Openly Seek Priesthood Ordination
http://wellbehavedmormonwoman.blogspot.de/search?q=%22Ordain+Woman%22
-Flunking Sainthood Blog, Jana Riess, 25.09.2013, LDS Church Responds to “Ordain Women” Movement
http://janariess.religionnews.com/2013/09/25/lds-church-responds-ordain-women-movement/
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Die Webmasters der Website Ordain Women beschreiben ihre Mission wie folgt: “Die grundlegenden Lehren des Mormonismus unterstreichen die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau: Gott ist männlich und weiblich, Vater und Mutter, und wir alle können eines Tages sein, wie sie sind. Das Priestertum, so heisst es, ist für diesen ewigen Fortschritt unersetzlich und notwendig. Ordain Women glaubt daran, dass Frauen zum Priestertum ordiniert werden müssen, damit unser Glaube die Tiefe und Reichhaltigkeit dieser Lehre wiederspiegeln kann. Im Jahr 2012 hat die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ihre Verpflichtung zur Gleichberechtigung der Geschlechter erneut unterstrichten: “Im Buch Mormon steht, “schwarz und weiss, geknechtet und frei, männlich und weiblich; …alle sind vor Gott gleich” (2. Nephi 26:33). Dies ist die offizielle Lehre der Kirche.” Ordain Women schliesst sich dieser Lehre an. Wir fühlen uns dazu verpflichtet, diese Gleichheit anzustreben und das schliesst für uns die Ordinierung von Frauen zum Priestertum mit ein. Auf der Grundlage von überlegtem, glaubensbezogenem und strategischem Handeln, möchte Ordain Women einen Ort schaffen, an dem mormonische Frauen Themen der Diskriminierung von Frauen ansprechen können, die sie alleine vielleicht nicht öffentlich ansprechen würden. Als Gruppe setzen wir uns der öffentlichen Wahrnehmung aus und lenken die Aufmerksamkeit auf die Ordinierung von Frauen zum Priestertum.”